B. Dimde: Gladiatur und Militär im römischen Germanien

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Titel
Gladiatur und Militär im römischen Germanien.


Autor(en)
Dimde, Barbara
Reihe
Hamburger Studien zu Gesellschaften und Kulturen der Vormoderne 7
Erschienen
Stuttgart 2019: Franz Steiner Verlag
Anzahl Seiten
404 S.
Preis
€ 64,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Oliver Schipp, Historisches Seminar, Johannes Gutenberg-Universität Mainz

An Publikationen zur römischen Gladiatur mangelt es wahrlich nicht. Dabei ist das Forschungsinteresse aber zumeist auf Gladiatorenkämpfe und Amphitheater im Kerngebiet römischer Herrschaft gerichtet. Vor allem das Gladiatorenwesen rund um das westliche Mittelmeer wurde archäologisch, epigraphisch und sozialhistorisch oftmals untersucht. Die Peripherie des Römischen Reiches steht erst seit jüngster Zeit im Blickpunkt, wie etwa in dem Band von Christian Mann zur Gladiatur im Osten des Imperiums.1 Für die germanischen Provinzen wurde jedoch bislang keine übergreifende Darstellung vorgelegt. Diese Forschungslücke zu schließen, ist das erklärte Ziel von Barbara Dimde in ihrer Hamburger Dissertation.

Sie untersucht die archäologischen Funde und Befunde zur Gladiatur im Kontext der Militärpräsenz; eine Entscheidung, die einleitend erklärt wird und sich auch zwingend aus der Provinzgeschichte und aufgrund der sozialen Struktur in den beiden Grenzprovinzen ergibt. Die disparate Quellenlage und das Fehlen literarischer Zeugnisse stellen die besonderen Schwierigkeiten bei der Untersuchung dar. Diesen begegnet Dimde, indem sie die Funde und Befunde nicht chronologisch bespricht, sondern in zwei großen Kapiteln nach Fundorten ordnet und aspektgeleitet analysiert. Außerdem erstellt sie einen Katalog der wichtigsten Zeugnisse, um die Hauptuntersuchung zu entlasten. Erfreulicherweise entfällt auf die Auswertung der Funde und Befunde der Großteil der Monographie mit 288 Seiten, während der Katalog ausgewählter Funde nur 54 Seiten ausmacht. Oftmals ist die Gewichtung in ähnlich angelegten Untersuchungen umgekehrt, und die Leserschaft bleibt dann mit einem schönen Katalog und vielen Fragen zurück.

Dies ist in dieser Studie nicht der Fall. Im ersten Kapitel wird der Frage nach Austragungsorten von Gladiatorenkämpfen nachgegangen. Gegliedert nach den Amphitheatern in der Germania superior und in der Germania inferior werden die Überreste Ort für Ort in alphabetischer Reihenfolge dargestellt. Die Funde und Befunde der zivilen und militärischen Arenen werden in den jeweiligen Abschnitten im Kontext der Regionalgeschichte bzw. der Standortgeschichte bei militärischen Anlagen besprochen. Dimde stützt sich in ihren Ausführungen auf die jeweilige grundlegende archäologische Publikation. Eine Diskussion der archäologischen Zeugnisse findet indes nicht statt. Gleichwohl wird in diesem Teil der Dissertation eine solide Grundlage für die weitere Untersuchung gelegt. Die wissenschaftliche Analyse wird dann unter den Aspekten Bau, Finanzierung und Bedeutung der Amphitheater nachgeholt. Den Bauprozess von Militäramphitheatern kontrastiert Dimde mit den entsprechenden Bauten unter ziviler Verwaltung. Vorwiegend werden hierzu Bauinschriften ausgewertet. Aus Mangel an Inschriften in den beiden germanischen Provinzen werden zunächst die aussagekräftigen kaiserlichen Bauinschriften im gesamten Imperium Romanum untersucht. Als Begründung für die öffentliche Bautätigkeit im Vergnügungssektor – sei sie nun mittelbar oder unmittelbar vom Kaiser finanziert – hält Dimde einen machtpolitischen Erklärungsansatz für wahrscheinlich. Gladiatorenkämpfe wurden nach dieser Erklärung zur Sicherung der militärischen Loyalität veranstaltet. Die Untersuchung des kargen Materials, zweier Bauinschriften in der Germania superior, scheint dies zu bestätigen. Die kaiserliche Macht sollte durch die Finanzierung von Militäramphitheatern gesichert werden. Die Funktion der militärischen Gladiatur sei grundlegend eine andere als die der zivilen Gladiatur gewesen. Die von Zivilisten finanzierten Spielstätten und Gladiatorenkämpfe hätten dem Prestigestreben provinzialer Eliten gedient.

Dieser Deutung wird man im Allgemeinen zustimmen können, wobei es jedoch fraglich ist, ob in den vom Militär geprägten Grenzprovinzen eine solche Unterscheidung von zivilem und militärischem Spielbetrieb immer möglich ist. Denn in den grenznahen Legionsstandorten der hohen und späten Kaiserzeit wie Köln, Bonn, Mainz und Straßburg wurden bisher keine steinernen Amphitheater nachgewiesen. Hätte aber nicht gerade dort zumindest eine militärische Spielstätte gefunden werden müssen? Wenn nur an einem oder zwei Orten keine Arena gefunden worden wäre, könnte man dies noch als Zufälligkeit der Überlieferung abtun. Aber vier militärische Standorte ohne nachgewiesene Kampfarena scheint doch ein eindeutiger Befund zu sein.2 Vielleicht wurden die Munera in temporären Amphitheatern aufgeführt. Oder aber die Kaiser verzichteten nach dem Saturninusaufstand ganz auf diese Art der Loyalitätssicherung, damit die Kämpfe nicht die Gemüter der Soldaten erhitzen und es zu gefährlichen Ausschreitungen kommt.3 Die Annahme, dass etwa in Mainz eine solche Anlage aus Stein ausgeführt wurde, krankt daran, dass bislang nicht die geringsten archäologischen Reste gefunden wurden. Einige der diskutierten Bauplätze in Mainz wurden zudem nie modern überbaut. Reste von Substruktionen sind trotzdem nicht zum Vorschein gekommen, so dass es nicht sehr wahrscheinlich ist, dort jemals ein Amphitheater nachzuweisen.4 Mit Überlegungen zu den nicht entdeckten Amphitheatern in Köln und Mainz schließt Dimde das erste Kapitel der Hauptuntersuchung ab. Auf der Grundlage der erarbeiteten Standortfaktoren kommt sie gleichwohl in der Frage nach den mutmaßlichen Amphitheatern zu plausiblen Ergebnissen, an welche die künftige archäologische Forschung, sollte sie noch fündig werden, anknüpfen kann.

Der Rolle des römischen Militärs bei den Gladiatorenkämpfen in den beiden germanischen Provinzen wird im zweiten Untersuchungskapitel nachgegangen. Auf breiter literarischer und epigraphischer Quellenbasis werden verschiedene Fragestellungen zunächst allgemein und dann konkret am Beispiel der beiden germanischen Provinzen zuverlässig analysiert und dargelegt. Ein Aspekt ist die logistische Unterstützung des Militärs bei der Beschaffung von wilden Tieren, insbesondere Bären, für die Venationes, die im Rahmen von öffentlichen Munera gezeigt wurden. Durch eine akribische Spurensuche, in der jede Scherbe umgedreht wird, können sowohl militärische als auch zivile ursarii in den beiden Provinzen nachgewiesen werden. Die Soldaten waren demnach auch mit der Pflege und Dressur von wilden Tieren für die Tierhetzen beauftragt. Ein weiterer Aspekt sind die in der Literatur gelegentlich als Teil von römischen Truppen erwähnten Gladiatoren.5 Indes sind die Funde in den beiden germanischen Provinzen spärlich. Daher ist Skepsis geboten, ob die in einem militärischen Kontext gefundene Krempe eines Gladiatorenhelms als Nachweis einer familia gladiatoria gelten kann. Auszuschließen ist dies aber nicht, da Dimde in einer genauen Untersuchung fragmentarisch erhaltener Papyri zeigen kann, dass römische Einheiten durchaus Gladiatorenschulen in einem Militärlager unterhielten. Allerdings ist dies nur in Babylon in der Nähe von Memphis belegt.

Der Band wird abgeschlossen mit einem Anhang ausgewählter Funde6, einem Literaturverzeichnis und Indizes. Die Abbildungen sind aber leider so klein gedruckt, dass sie nur schwer oder gar nicht zu entziffern sind. So sind die Karten und Pläne jedenfalls nicht nutzbar. Der Verlag hätte hier in den sauren Apfel beißen und die Abbildungen ganzseitig und in einer höheren Auflösung drucken müssen.

Unterm Strich wird mit dieser Untersuchung eine Forschungslücke geschlossen. Schon die Sammlung der disparaten Funde und Befunde wird der Forschung gute Dienste leisten. Gewiss wird man nicht mit jeder Deutung d’accord gehen, aber die vielfältigen Beobachtungen und Analyseergebnisse, vor allem aber die insgesamt gelungene Differenzierung von militärischer und städtisch-ziviler Gladiatur, werden die wissenschaftliche Diskussion um das kulturelle Leben in den Militärdistrikten entlang der römischen Limites sicherlich beflügeln.

Anmerkung:
1 Christian Mann, „Um keinen Kranz, um das Leben kämpfen wir!“ Gladiatoren im Osten des römischen Reichs und die Frage der Romanisierung, Berlin 2011.
2 Dagegen sprechen auch nicht die Befunde an anderen Standorten. Das Amphitheater in Windisch wurde in der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts n.Chr. fertiggestellt. In Augst bestand kein Militärlager mehr, als das Amphitheater gebaut wurde. Einzige Ausnahme bildet das nördlichste militärische Amphitheater in Nijmegen.
3 Zu den Gefahren öffentlicher Kampfveranstaltungen siehe beispielsweise Tac. ann. 14,17.
4 Eine erneute Begehung der infrage kommenden Orte hat diese Aussage bestätigt.
5 Hier hätte noch Karl-Wilhelm Welwei, Unfreie im antiken Kriegsdienst, Bd. 3: Rom, Stuttgart 1988, herangezogen werden können.
6 Der verwendete Ausdruck „Stücke“ ist sicher nicht glücklich gewählt.

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